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1.2 Vorbildhafte Editionen

Ein wichtiger Schritt im Planungsprozess ist es, die eigenen Vorstellung des Endprodukts mit bestehenden Lösungen zu vergleichen, insbesondere mit vorbildhaften Editionen. Es ist ratsam, auf allen Ebenen - vom Grobkonzept bis zur Funktionalität und Gestaltung des Frontends - erste Überlegungen anhand dieser Beispiele zu machen. In vielen Fällen sind die Editor:innen der so vorbildhaft gewordenen Editionen bereit, ihr Wissen auch im persönlichen Austausch weiterzugeben.

Das Handbuch evaluiert selbst keine DSE, sondern verweist lediglich - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - auf mittlerweile kanonische Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum, die in Anträgen als vorbildhaft gelten, weil sie z.B. eine umfassende Dokumentation ihrer Editionsrichtlinien aufweisen. Ausführliche Rezensionen von DSE finden sich in der Zeitschrift RIDE.

Die Jahreszahlen, nach deren Enddatum die DSE geordnet sind, umfassen jeweils den hauptsächlichen Entstehungszeitraum, alle aufgeführten Editionen erfahren regelmäßige technische und z.T. auch inhaltliche Updates.

Faustedition (2009-2014)

  • Literaturwissenschaftliche DSE eines Werkkomplexes.

  • Besonderheit: Graphische Übersicht zur Textgenese. Dieser Ansatz wurde später z.B. zu einer interaktiven Graphik in der DSE Lokalbericht (2013-2016) weiterentwickelt.

Briefedition Alfred Escher, auch 'Escher-Briefedition' (2006-2015).

  • Historische DSE eines Briefkorpus' mit dem TEI Publisher.

  • Besonderheit: Folgt im Frontend weitgehend den Standardeinstellungen des TEI Publishers, ist jedoch ursprünglich nicht mit dem TEI-Publisher erstellt, sondern erst nach Projektabschluss für den TEI Publisher konvertiert.

Königsfelden Online (2017-2020)

  • Historische DSE einer breiten Quellensammlung (Urkunden, Kopialbücher und Dorsualnotizen)

  • Besonderheit: Die DSE fungiert auch als digitales Archiv, das über verschiedene Visualisierungen die Überlieferung bzw. historische Archivordnungen nachvollziehen lässt.

edition humboldt digital (2016-2024f.)

  • Kulturwissenschaftlich bzw. interdisziplinär ausgerichtete DSE von unterschiedlichen Quellenkategorien (Drucke, Aufsatz-Manuskripte, Tagebücher, Briefe, Skizzen).

  • Besonderheit: Die erste Beta-Version von 2016 war vorbildhaft für viele folgende Projekte und erhielt verschiedene Preise. Das Projekt verwendet die Editionsumgebung ediarum, die auf den TEI/XML-Editor Oxygen aufbaut. Eng mit humboldt digital verknüpft ist zudem die Datenbank für Korrespondenz-Metadaten Correspsearch.

Wölfflin-Edition (2017-2024f.)

  • Kunswissenschaftliche Edition der Gesammelten Werke eines Kunsthorikers, die mehrheitlich publizierten Schriften umfasst (unpublizierte Schriften sind in Vorbereitung).

  • Besonderheit: Die Wölfflin-Edition umfasst zu einem großen Teil Retro-Editionen, d.h. im Druck erschienene Bücher, die nun in eine digitale, kritisch kommentierte Form übersetzt werden. Sie fusst auf einer engen Zusammenarbeit mit dem Projekt humanities connect der Bibliotheca Hertziana Rom, das einen Teil ihrer Bestände als digitale Bibliothek zur Verfügung stellt.

Es ist für jedes Projekt sinnvoll, diese Liste zu erweitern und sich in der Planungsphase selbst einen Überblick zu verschaffen. Wir empfehlen, zunächst Editionen aus allen Feldern und Disziplinen zu betrachten, um sich breit über technische und editorische Innovationen zu informieren. Die Suche kann dann stärker nach fachlichen, materiellen und räumlichen Kriterien eingegrenzt werden, um Kontakt mit den Editor:innen aufzunehmen und sich mit ihnen auszutauschen.

Übersichten und Sammlungen von DSE

  • Text+ Registry

    Der Metadaten Aggregator von [Text+], einem Konsortium der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) in Deutschland, lässt eine gezielte Suche nach DSE zu. Sie bietet die größte uns bekannte Datensammlung (insgesamt 1425 DSE, Stand 2024), hiervon sind jedoch ein großer Teil nur als Entwurf eingetragen (484) und von den als veröffentlichten markierten (941) sind lediglich die Metadaten von 193 DSE kuratiert.

  • Universität Wuppertal, Prof. Dr. Patrick Sahle

    Der Verfasser des dreibändigen Standardwerks Digitale Editionsformen und sein Team kuratieren eine extensive Übersicht zu digitalen Editionen, die ihrem basalen Kriterienkatalog genügen (Stand Juni 2024: 846 DSE). Darüber hinaus bietet der Katalog auch eine Übersicht zu Editionsplattformen, die mehrere DSE beherbergen.
    Die Übersicht ist selbst mit dem TEI Publisher erstellt.

  • Catalogue Digital Editions

    Die Kollaboration zwischen dem Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH, Vienna) und dem UCL Centre for Digital Humanities (UCLDH, London) führt primär englisch- und deutschsprachige Editionen auf, kuratiert von Greta Franzini. Der Katalog lädt dazu ein, neue Editionen zu melden und ergänzt diese im German Library Network (DBIS) (Stand September 2024: 337 DSE).

  • TEI Publisher-Editionen

    Für Benutzer:innen des TEI Publishers bietet e-editiones, die Forschungscommunity hinter dem Tool, eine Übersicht von Editionen, die damit erstellt wurden, vorausgesetzt, sie sind der community bekannt (Stand Juni 2024: 46 DSE).

  • Sammlung des KONDE Weißbuch

    Das KONDE Weißbuch bietet einen Überblick über österreichische Projekte, die oft personell und institutionell mit dem Weißbuch verbunden sind (Stand Juni 2024: 28 DSE).

  • ZDE: Umfeld Universität Zürich

    Eine Übersicht zu Editionen, die im Umfeld der Universtität Zürich durchgeführt werden bzw. wurden, bietet das Zentrum Digitale Editionen & Editionsanalytik ZDE (Stand Juni 2024: 18 DSE).

  • DiScholEd - Digital Scholarly Editions

    Eine Sammelplattform mehrheitlich frankophoner historischer Editionsprojekte auf Basis des TEI-Publishers, die von der französischen DH-Infrastruktur humanum betrieben wird (Stand August 2024: 7 DSE).

  • edview, DSE des DLA Marbach

    Eine Plattform für DSE aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach (Stand August 2024: 2 DSE, weitere 4 DSE sind angekündigt).